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2.2.1 Regelbasiertes Konfigurieren

Die Entstehung der ersten Expertensysteme war in den 80er Jahren stark von dem regelbasierten Ansatz dominiert. Expertensysteme wurden daher in den Anfängen teilweise als regelbasierte Systeme charakterisiert vgl. Günter, 1992, S. 44; Simon, 1993, S. 265. Regelbasierte Expertensysteme nutzen zur Formulierung von Abhängigkeiten assoziative Regeln mit einem Bedingungs- und einem Aktionsteil in Form von

    IF <Bedingungen> THEN DO <Aktionen>

Neben der Beschreibungsmöglichkeit von kausalen Abhängigkeiten zwischen Objekten, liegen die Stärken des regelbasierten Ansatzes in der Repräsentation und Evaluierung von heuristischen Abhängigkeiten.2.2 Jede Regel ist eine unabhängige Wissenseinheit, die von einem domänenunabhängigen Regelinterpreter ausgeführt wird. Es wird zwischen datenorientiertem und zielorientiertem Inferenzmechanismus unterschieden (vgl. Günter, 1992, S. 45 f.): Datenorientierte Regelsysteme prüfen anhand der vorliegenden Daten und des Bedingungsteils der Regeln, welche Regeln ausführbar sind (Vorwärtsverkettung). Zielorientierte Systeme erfassen den Aktionsteil der Regeln und vergleichen diese mit dem zu erreichenden Ziel. Alle Regeln, deren Aktionsteil das Ziel enthält, werden in einer Konfliktmenge zusammengefasst, aus der letztendlich eine Regel ausgewählt wird. Die Bedingungen der jeweiligen Regel sind wiederum die neuen Ziele (Rückwärtsverkettung). In einer Konfliktsituation, d.h. wenn mehrere Regeln die Anforderungen erfüllen, kann die Reihenfolge der Ausführung domänenunabhängig oder in Abhängigkeit vom Domänenwissen erfolgen. Eine domänenunabhängige Regelauswahl würde z.B. die aktuellste oder speziellste Regel verwenden. Für eine domänenabhängige Auswahl können z.B. Prioritäten, Bewertungsfunktionen oder Metaregeln die Auswahl unterstützen (vgl. Kühn, 2001, S. 46).

In der Vergangenheit führte allerdings die intensive Nutzung von Regeln zur Wissensrepräsentation dazu, dass eine Reihe von Unzulänglichkeiten zu Tage traten. So findet in fast allen regelbasierten Systemen eine Vermischung von Domänenwissen und Kontrollwissen innerhalb der Regeln statt. Bei wachsendem Umfang der Systeme ergaben sich dadurch enorme Probleme bei der Wissensakquisition, der Sicherstellung der Konsistenz der Wissensbasis, der Modularität, der Adaptierbarkeit der Systeme, der Rücknahme von Entscheidungen bei Konflikten und der Integration von Benutzer Anweisungen vgl. Cunis und Günter, 1991, S. 48; Günter, 1991a, S. 108 f.; Günter, 1992, S. 3, 54 ff. u. 209 f.; Günter und Kühn, 1999, S. 49 f.; Neumann, 1991, S. 15 ff.; Sabin und Freuder, 1996a, S. 31; Sabin und Freuder, 1996b, S. 156; Sabin und Weigel, 1998, S. 44.

Der erste und wohl bekannteste Vertreter der Gattung der regelbasierten Expertensysteme ist das System R1/XCON. XCON war lange Zeit ein sehr erfolgreiches System zur Konfigurierung von VAX-Rechnern der Firma Digital Equipment Corporation (DEC) (vgl. Stumptner, 1997, S. 111). Ein Beispiel für die Beschreibung einer Regel aus dem XCON-System ist in Abbildung 2.2 zu sehen. Die anfallenden Pflege- und Wartungsarbeiten der umfangreichen Regelbasis von XCON bereitete jedoch mit der Zeit zunehmend große Probleme (vgl. Abschnitt A.1). Die Wissensbasis von XCON bestand 1989 aus ca. 11.500 Regeln (bezogen auf ca. 30.000 Objektbeschreibungen), von denen pro Jahr ca. 40-50% modifiziert werden mussten vgl. Neumann, 1991, S. 15; Günter, 1992, S. 57. Verschiedene Ansätze zur Verfeinerung des Regelmechanismus, z.B. die Modularisierung der Wissensbasis durch das Zusammenfassen von Regeln zu sog. Regelkontexten,2.3 brachte keine wirksame Abhilfe, da nun eine Vielzahl zusätzlicher Abhängigkeiten der Regeln untereinander verwaltet werden mussten, und Regeln zudem nicht mehr als unabhängige Wissenseinheit betrachtet werden konnten vgl. Günter, 1992, S. 48 ff.; Sabin und Weigel, 1998, S. 44.

Abbildung 2.2: Regel aus dem XCON-System (vgl. Neumann, 1988, S. 34)
\begin{figure}\centering
\fbox{\parbox{13.25cm}{
\texttt{ASSIGN-POWER-SUPPLY-1\\...
...UPPLY OF THAT VOLTAGE AND FREQUENCY\\
AND ADD IT TO THE ORDER
}}}\end{figure}

Aufgrund der Schwächen von regelbasierten Systemen sollte dieser Mechanismus in Expertensystemen nur lokale Anwendung finden und in Kombination mit anderen Methoden eingesetzt werden. Zur Steuerung von globalen Prozessen des Systems sind Regeln allenfalls bedingt geeignet vgl. Günter, 1991a, S. 92; Günter, 1992, S. 57; Neumann, 1991, S. 18.



Fußnoten

...2.2
Den sog. ,,Daumenregeln`` der Experten (vgl. Günter, 1992, S. 44).
...2.3
Regelmengen, die für sich genommen keine Beziehungen zu Regeln innerhalb anderer Regelkontexte besitzen.

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